Abschied von den „Gastarbeitern“.

Ein Natursteinboden in edlen Farben, der 50 Jahre die Gehfläche edler Füße war. Ein Boden, der das Treppenhaus eines wunderschönen, alten Hauses in Köln-Nippes bekleidet. Das Haus und der Boden stehen, doch die Menschen sind von Ihnen gegangen.

Die Menschen, die ich glücklicherweise meine Großeltern nennen durfte. Sie kamen als „Gastarbeiter“, trennten sich von den Steinen am Rande der Dorfwege in ihrer Heimat, um dann in Deutschland auf diesem Steinboden anzukommen. Vor circa 50 Jahren haben die beschuhten Füße meiner Großeltern zum ersten Mal diesen Steinboden berührt. Wer hätte geahnt, dass wir heute zum letzen Mal diesen begehen, um alle Habseligkeiten, Erinnerungen und das letzte Stück Leben aus der 34 qm2 Wohnung rauszutragen, weil sie nicht mehr da sind. Meine Großeltern.

Oma hat uns vor 14 Jahren verlassen. Das Herz wollte nicht mehr. Was für eine Ironie des Schicksals, dass dieser Steinboden das letzte war, was sie vor ihren Ableben sah. Opa war noch da. Ein Mann, der das Fundament der Familie war. Kunstsammler, Freidenker, Starrkopf, Querulant und Führerscheinverweigerer. „Immer anders sein“ war sein Motto und er lebte danach wie kein anderer. Doch eines hatte er mit so vielen anderen „Gastarbeitern“ gemein. Das zweigeteilte Herz. Die eine Hälfte in Deutschland, die Andere in der Türkei. Die „wir werden zurück gehen“ Mentalität an der folienverpackten Fernbedienung erkennbar.

Er ist zurückgegangen. Für immer. Vor ein paar Wochen hat er diesen Steinboden das letzte Mal betreten und hat sich zu meiner Oma gelegt. Die Grabstätten sind nun mit den Steinen am Rande der Dorfwege gesäumt.

Möge der Allmächtige Ihren Seelen gnädig sein.